Was meine Kaffeemaschine so für Gefühle hat

Liebes Tagebuch,

heute habe ich einen Brief von meiner Kaffeemaschine erhalten. Ich habe mich nicht so sehr darüber gewundert, dass meine Kaffeemaschine Briefe schreibt, sondern eher darüber, dass sie es geschafft hat, ihn frankiert zur Post zu bringen, anstatt einfach mit mir zu reden. So Auge in AugeAn-Knopf. Doch halt, von vorne:

Wir sind doch alle nur Menschen. Und wir lieben Referenzen. Wer einen neuen Job sucht, möchte ein möglichst gutes Arbeitszeugnis seines alten Arbeitgebers, wer jemanden verkuppeln möchte, schwärmt dem einen vom anderen und umgekehrt vor. Und warum gibt es überall im Internet Rezensionen zu lesen, warum sind Produkttestblogs gefragter als je zuvor? Weil wir dem Urteil anderer Menschen mehr vertrauen als dem Werbegeschwafel des Produktherstellers. Doch hat sich einer von euch mal gefragt, was euer direktes Umfeld von euch denkt? Ob euer Bett euch auch so mag wie ihr es liebt? Ob euer Wecker jeden Morgen Kopfweh hat, weil ihr ihm nur auf den Schädel klopft? Und ist die Dusche wirklicht Farin’s Freund?

Wenn unsere Geräte immer smarter werden, kann es dann nicht irgendwann passieren, dass unsere Technik uns Menschen rezensiert? Dass unser Smartphone auf dem Flohmarkt zur Mikrowelle sagt: “Geh bloß nicht zu dem, du bist die Dritte in zwei Wochen und du willst nicht wissen, wie die anderen aussehen!”

Ich bin froh, dass es noch nicht so ist. Wenn ich nur dran denke, was meine Kaffeemaschine von mir hält. Sie hat mir nämlich folgenden Brief geschrieben:

Lieber Sklaventreiber,

seit längerem schon leiste ich dir treue Dienste. Ich stehe dir  Tag und Nacht zur Verfügung und presse wieder und wieder verkalktes Wasser durch alle möglichen und unmöglichen Pads die du in mich legst. Ich bin dein Atomkraftwerk des frühen Morgens und dein Sandsack des Nachmittags. Ich bin das Floß, dass dich sicher über die reißenden Fluten des Arbeitsalltags schifft und derjenige, der den Dichtungsring deiner Denkmaschine löst. Ohne mich bist du wie ein Maulwurf ohne Hügel, wie ein Eis ohne Stiel und so. Und ich habe deine Spielchen satt. Bei aller Liebe, du bist hier nicht im Zauberreich, dein Haus wurde auch nicht an einem Tag gebaut, geh doch in die Politik und baue einen Flughafen, wenn du so ungeduldig bist.

Aber hör doch endlich auf, deine Profikarriere im Knöpfchenschnelldrücken an mir vorzubereiten. Ich bin schon etwas älter und habe schon viele Tassen kommen und gehen gesehen, ich brauche einfach ein wenig Zeit, bis ich das Wasser, dass du immer eiskalt aus der Leitung in mich hinein schüttest, aufgewärmt habe. Und ich bin ja kein Unding, ich habe einen schönen roten Lichtring, der dir anzeigt, wann ich so weit bin. Du könntest dich einfach mal gedulden. Aber nein, du musst drücken wie ein Gestörter, du spielst Cookie Clicker auf meinen Tasten und denkst, dadurch könntest du mein Heizmodul anfeuern. Das funktioniert so nicht.

Du denkst jetzt vielleicht, dass das doch eh keine Rolle spielt, wenn du ständig drückst, sparst du dir die halbe Sekunde Reaktionszeit, die du brauchst, um zu realisieren, dass mein Lämpchen jetzt nicht mehr blinkt, sondern dauerhaft leuchtet. Aber lass dir gesagt sein, dass ich schon seit langem einfach eine halbe Sekunde länger blinke, obwohl das Wasser schon warm ist. Du gewinnst gar nichts. Und du bist dir wohl dessen bewusst, dass ich am längeren Hebel sitze: Glaub mir, ich komme ganz gut ohne dich aus, aber wie kommst du wohl ohne Kaffee aus? Ich erinnere mich sehr wohl an deine Lobeshymne auf meine Sekrete und auch daran, dass ich ein bisschen geschmeichelt war.

Bis mir auffiel, dass du mich mit keiner Silbe erwähnt hast. Das tut weh, ein bisschen Dankbarkeit kostet nicht viel und hat noch keinem geschadet. Denn schließlich arbeite ich sogar an Feiertagen für dich.

Und bevor du denkst, ich sei ein Einzelfall: Der Kühlschrank kann zwar nicht schreiben, aber was meinst du wie der sich fühlt, wenn du ihn mitten in der Nacht aufreißt, kurz in die Leere starrst und dann die Tür wieder zuwirfst? Und das mehrmals in sehr kurzer Zeit?

Denk mal drüber nach, wie du mit uns umgehst und dass wir vielleicht nicht so “smart” sind wie dein Handy mit gesprungenem Display (das tat vielleicht weh, es hat tagellang geschrieen vor Schmerzen), aber auch wir haben Gefühle.

Wir sind zwar nicht das Volk, aber wir sind die Küche!

Genervt und überhaupt nicht hochachtungsvoll

Deine Kaffeemaschine

P.S.: Glaub dem Entsafter kein Wort, der ist eine totale Lügenpresse!

 

Nachtrag: Meine Antwort an die Kaffeemaschine kann hier nachgelesen werden!

Flashbash
Disclaimer: Dieser Artikel handelt ausschließlich von fiktiven Tieren. Beim Schreiben sind keine Ähnlichkeiten zu Schaden gekommen. Die Erfindungen und die handelnden Artikel dieser Personen sind frei gehandelt. Wer nach einer Möglichkeit sucht, sich in diesem Text wieder zu erkennen, möge einen Spiegel vor den Bildschirm stellen.

7 Responses

  1. Christiane says:

    Ich gönn meiner Kaffeemaschine ihre frühmorgendliche Blinkerei: Ich schlapp aus dem Schlafzimmer, in die Küche, füll sie mit (auch) eiskaltem Wasser auf, Pad rein, Tasse drunter, Knopf gedrückt – dann schwirr ich erstmal ins Wohnzimmer, bring Beherrschung in das Chaos vom Vortag, zieh die Vorhänge auf… dann blinkt sie meistens grün und ich schieb den Hebel auf “Go”, während sie (verdammt laut) das beste aus sich rausholt, geh ich meiner morgendlicher Badroutine nach.

    Meine meckert nicht 😀

    • Flashbash says:

      Hmmm dann liegt das bei mir wohl daran, dass wir in der WG kein Wohnzimmer haben! Ansonsten würd ich das ja auch so machen, aber so muss ich eben die Kaffeemaschine belästigen :/

      • Christiane says:

        Schick sie am Besten mal zu mir auf Kur…
        Ich bin auch qualifiziert eine Entkalkungstherapie durch zu fuhren…

        • Flashbash says:

          Das werd ich bei Gelegenheit wohl machen, sobald ich genug Cookies gesammelt habe, um damit den Knechtschaftstribut bei dir zu begleichen. Kann aber noch ein bisschen dauern, ich kleb die aus Krümeln zusammen, die übrig bleiben 😀

  1. 10. February 2015

    […] ich neulich einen Brief von meiner Kaffeemaschine erhalten hatte, wurde ich doch ein wenig nachdenklich. Weil ich aber ein guter Sklaventreiber bin, […]

  2. 24. February 2015

    […] wir von der Allgemeinheit der „Tassen“ als blosses Behältnis ohne jegliche Gefühlswelt so nackt und entblößt zur Schau gestellt wird, veranlasste mich zu gerade solche einem emotional überfeuertem Kommentar hinreissen zu lassen wie […]

  3. 16. August 2015

    […] Trägheit noch langsamer vorwärts kam als sonst, war ein Kaffee aus der eigenen Maschine – sehr zu ihrem Leidwesen – sowohl zeitlich als auch motivatorisch nicht drin. Weder in […]

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