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Das digitale Heim

Da ist er, der Mainstream. Er hat mich erreicht. Und dabei habe ich nichtmal aktiv dazu beigetragen. Ich bin nur irgendwo eingezogen. Eigentlich ist das auch schon länger her, aber ich fühle mich erst heute so Mainstream.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich meine jetzt nicht, dass ich endlich im Internet lebe und nicht mehr der Realität Achtung zolle. Vielmehr lebe ich in einem hochmodernen Haus, welches im Jahr 1914 gebaut wurde. Es verbindet den altehrwürdigen Charme der Baufälligkeit mit den Annehmlichkeiten des modernen Lebens und darüber möchte ich gerne berichten:

Unsere Küche besitzt ein Dachfenster, welches in ungefähr 3m Höhe angebracht ist. Ein manuelles bedienen scheint hier unmöglich, weshalb unser Hausherr frerundlicherweise eine Fernbedienung eingebaut hat, welche regelmäßig von der Wandhalterung gerissen wird und dabei kaputt geht. Da wir keine Dunstabzugshaube haben, öffnen wir das Fenster gerne beim Kochen, was im Winter dann gerne zu spontanen Gefriervorgängen führt, weil die gute Wärme natürlich mit den Kochdämpfen durchs Fenster entfleucht. Doch das tut dem Komfort keinen Abbruch.

Weiterhin besitzen wir eine Funkklingel, welche unter anderem individuelle Klingeltöne ermöglicht und blaue Blitze durchs Haus schießt, wenn die betätigt wird. Natürlich nur, sofern die Batterien nicht gerade leer sind, was meistens alle 3 Wochen der Fall ist. Der Paktezusteller weiß das, weshalb er immer laut klopft, egal ob die Klingel grade funktioniert oder nicht.

Ich möchte aber in dieses Paketwarnsystem investieren. Denn allzu oft ist es mir passiert, dass ich gerade noch ungezogen, ich meine unangezogen im Bett lag, als der Zusteller frühmorgens um 11 vorbeischaut. Bis ich dann angemessene Kleidungsstücke gefunden und an mir angebracht habe, ist er oft schon wieder gegangen. Mir schwebt da eine Verbesserung vor, die mithilfe von modernster Technik realisierbar wäre:

Wir platzieren ein Tablet in der Außenwand, das mit der Klingel verbunden ist. Sobald jemand klingelt, wird per Kamera sein Foto auf alle verfügbaren Geräte im Haus gesendet, sodass man gleich sehen kann, ob man sich für die Person, die vor der Tür steht, etwas anziehen muss, oder nicht. Wenn es die Freundin ist, braucht es ja keine Klamotten. Als Antwort kann man seinen Status dem Klingler mitteilen, der eine Art Ladebalken zu sehen bekommt mit der geschätzten Restzeit bis zur Türöffnung und Liveupdates zum jeweiligen Arbeitsschritt: Kleider lokalisieren, Kleider platzieren und so weiter. Falls er es eilig und kein Problem mit unzulänglicher Bekleidung hat, kann er jederzeit den Anziehvorgang abbrechen, um den Prozess des Paketzustellens zu beschleunigen. Das wäre für alle Beteiligten die beste Lösung. Und bei den aktuellen Temperaturen ist es auch kein Problem, mal nackt zur Tür zu gehen. Das sollte man sowieso öfters tun.

Ich wünsche mir ein Tablet zu Weihnachten 😉

Was meine Kaffeemaschine so für Gefühle hat

Liebes Tagebuch,

heute habe ich einen Brief von meiner Kaffeemaschine erhalten. Ich habe mich nicht so sehr darüber gewundert, dass meine Kaffeemaschine Briefe schreibt, sondern eher darüber, dass sie es geschafft hat, ihn frankiert zur Post zu bringen, anstatt einfach mit mir zu reden. So Auge in AugeAn-Knopf. Doch halt, von vorne:

Wir sind doch alle nur Menschen. Und wir lieben Referenzen. Wer einen neuen Job sucht, möchte ein möglichst gutes Arbeitszeugnis seines alten Arbeitgebers, wer jemanden verkuppeln möchte, schwärmt dem einen vom anderen und umgekehrt vor. Und warum gibt es überall im Internet Rezensionen zu lesen, warum sind Produkttestblogs gefragter als je zuvor? Weil wir dem Urteil anderer Menschen mehr vertrauen als dem Werbegeschwafel des Produktherstellers. Doch hat sich einer von euch mal gefragt, was euer direktes Umfeld von euch denkt? Ob euer Bett euch auch so mag wie ihr es liebt? Ob euer Wecker jeden Morgen Kopfweh hat, weil ihr ihm nur auf den Schädel klopft? Und ist die Dusche wirklicht Farin’s Freund?

Wenn unsere Geräte immer smarter werden, kann es dann nicht irgendwann passieren, dass unsere Technik uns Menschen rezensiert? Dass unser Smartphone auf dem Flohmarkt zur Mikrowelle sagt: “Geh bloß nicht zu dem, du bist die Dritte in zwei Wochen und du willst nicht wissen, wie die anderen aussehen!”

Ich bin froh, dass es noch nicht so ist. Wenn ich nur dran denke, was meine Kaffeemaschine von mir hält. Sie hat mir nämlich folgenden Brief geschrieben:

Lieber Sklaventreiber,

seit längerem schon leiste ich dir treue Dienste. Ich stehe dir  Tag und Nacht zur Verfügung und presse wieder und wieder verkalktes Wasser durch alle möglichen und unmöglichen Pads die du in mich legst. Ich bin dein Atomkraftwerk des frühen Morgens und dein Sandsack des Nachmittags. Ich bin das Floß, dass dich sicher über die reißenden Fluten des Arbeitsalltags schifft und derjenige, der den Dichtungsring deiner Denkmaschine löst. Ohne mich bist du wie ein Maulwurf ohne Hügel, wie ein Eis ohne Stiel und so. Und ich habe deine Spielchen satt. Bei aller Liebe, du bist hier nicht im Zauberreich, dein Haus wurde auch nicht an einem Tag gebaut, geh doch in die Politik und baue einen Flughafen, wenn du so ungeduldig bist.

Aber hör doch endlich auf, deine Profikarriere im Knöpfchenschnelldrücken an mir vorzubereiten. Ich bin schon etwas älter und habe schon viele Tassen kommen und gehen gesehen, ich brauche einfach ein wenig Zeit, bis ich das Wasser, dass du immer eiskalt aus der Leitung in mich hinein schüttest, aufgewärmt habe. Und ich bin ja kein Unding, ich habe einen schönen roten Lichtring, der dir anzeigt, wann ich so weit bin. Du könntest dich einfach mal gedulden. Aber nein, du musst drücken wie ein Gestörter, du spielst Cookie Clicker auf meinen Tasten und denkst, dadurch könntest du mein Heizmodul anfeuern. Das funktioniert so nicht.

Du denkst jetzt vielleicht, dass das doch eh keine Rolle spielt, wenn du ständig drückst, sparst du dir die halbe Sekunde Reaktionszeit, die du brauchst, um zu realisieren, dass mein Lämpchen jetzt nicht mehr blinkt, sondern dauerhaft leuchtet. Aber lass dir gesagt sein, dass ich schon seit langem einfach eine halbe Sekunde länger blinke, obwohl das Wasser schon warm ist. Du gewinnst gar nichts. Und du bist dir wohl dessen bewusst, dass ich am längeren Hebel sitze: Glaub mir, ich komme ganz gut ohne dich aus, aber wie kommst du wohl ohne Kaffee aus? Ich erinnere mich sehr wohl an deine Lobeshymne auf meine Sekrete und auch daran, dass ich ein bisschen geschmeichelt war.

Bis mir auffiel, dass du mich mit keiner Silbe erwähnt hast. Das tut weh, ein bisschen Dankbarkeit kostet nicht viel und hat noch keinem geschadet. Denn schließlich arbeite ich sogar an Feiertagen für dich.

Und bevor du denkst, ich sei ein Einzelfall: Der Kühlschrank kann zwar nicht schreiben, aber was meinst du wie der sich fühlt, wenn du ihn mitten in der Nacht aufreißt, kurz in die Leere starrst und dann die Tür wieder zuwirfst? Und das mehrmals in sehr kurzer Zeit?

Denk mal drüber nach, wie du mit uns umgehst und dass wir vielleicht nicht so “smart” sind wie dein Handy mit gesprungenem Display (das tat vielleicht weh, es hat tagellang geschrieen vor Schmerzen), aber auch wir haben Gefühle.

Wir sind zwar nicht das Volk, aber wir sind die Küche!

Genervt und überhaupt nicht hochachtungsvoll

Deine Kaffeemaschine

P.S.: Glaub dem Entsafter kein Wort, der ist eine totale Lügenpresse!

 

Nachtrag: Meine Antwort an die Kaffeemaschine kann hier nachgelesen werden!